Während der Automobilhersteller Toyota in Japan alljährlich rund 400 Fachkräfte in Karakuri/LCA (= Low Cost Automation) ausbildet, ist diese spezielle Methode der Lean Production hierzulande noch nicht weit verbreitet.
Bei Karakuri/LCA handelt es sich um eine Form der Automation, die auf Strom, Sensorik, Steuerung oder Programmierung verzichtet und hauptsächlich auf die Gesetze von Schwerkraft und Mechanik setzt. In vielen Fällen kann Karakuri/LCA eine traditionelle Automationslösung ersetzen – und dies bei deutlich geringeren Kosten. „Bislang fehlte allerdings ein Nachweis der Wirtschaftlichkeit von Karakuri/LCA durch eine unabhängige Instanz. Als Hochschule sind wir wirklich unabhängig, daher haben wir uns dem angenommen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Volker Ahrens. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Produktionsmanagement an der NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft und forscht und lehrt zu Karakuri/LCA. In einem von ihm betreuten Praxisprojekt machten sechs Studierende des Wirtschaftsingenieurwesens im Rahmen ihrer Masterarbeiten die Probe aufs Exempel, unterstützt von unserem Lean Production Systembaukasten.
Wertschöpfung mit Karakuri/LCA erhöhen
Sie möchten noch mehr über die Automatisierung mit Karakuri/LCA erfahren? Ganz gleich, ob Sie Lean-Neuling oder erfahrener KVP-Experte sind: Wir bieten für jeden Wissensstand die passende Unterstützung.
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Automationsaufgabe auf zwei verschiedene Arten lösen
Das konkrete Ziel des Projekts war die Gegenüberstellung zweier Lösungen für folgende Automationsaufgabe: Es galt einen mit einem 6 Kilogramm schweren Getriebe beladenen Kleinladungsträger (KLT) über ein 2 Meter hohes und 3 Meter langes Hindernis zu transportieren. In der Dämpfung und Verzögerung der bewegten Lasten bestand die größte Herausforderung. Es wurden sowohl eine klassische Automationsanwendung mit elektrisch angetriebenem Lift und einem Förderband als auch eine Karakuri/LCA-Lösung vollständig konzipiert, wobei nur Letztere eine Realisierung erfuhr: „Da sich abgezeichnet hat, dass die herkömmliche Lösung wesentlich teurer würde, wäre es in diesem Fall nicht wirtschaftlich gewesen, auch diese zu bauen“, sagt Finnja Kietzke aus dem Projekt-Team. Gleichzeitig sorgte die Planung beider Anlagen mit item Komponenten für eine realistische Kostengegenüberstellung. Schließlich ergab die Berechnung von Material- und Personalkosten eine Einsparung von rund 40 % bei Karakuri/LCA. „Das ist wirklich sehr signifikant“, betont Professor Ahrens. „Man muss natürlich sagen, dass jede Anlage anders ist. Deswegen kann man den exakten Wert nicht 1:1 auf jede Automatisierungsproblemstellung übertragen. Diese Größenordnung ist aber natürlich aufschlussreich.“
Die Berechnung von Material- und Personalkosten ergab für Karakuri/LCA eine Einsparung von rund 40 % im Vergleich zu einer traditionellen Automationslösung.
Ihren Anfang nimmt der Transportprozess der Karakuri/LCA-Lösung mit einer Person, die mit ihrem Gewicht eine Rampe herunterdrückt. Dadurch wird über die Kraftübertragung mittels eines Seilzugs ein Gegengewicht in die Höhe bewegt. Gleichzeitig bewegt sich ein Schlitten für den KLT herab. Jetzt muss der Bediener nur noch den KLT in den Schlitten hineindrücken und die Rampe verlassen. Wie in einem Lift bewegt sich der Schlitten mit dem KLT daraufhin nach oben. Anschließend geht es darum, den KLT über das Hindernis zum Turm für die Abwärtsbewegung zu befördern. Hierbei wird der KLT durch eine schräge Ebene und eine Rollenbahn vorwärtsgebracht. Eine solche Konstruktion kann als „Karakuri/LCA-Brücke“ bezeichnet werden. Schließlich erreicht der KLT ebenfalls durch einen Seilzug und ein Gegengewicht sein Ziel. Hier bremsen ihn zwei Halterungen mit Stopper, sodass er nicht über die Annahmeeinheit hinaus rollen kann.
Mit Komponenten, Konstruktionssoftware und Content von item schneller zum Ziel
Damit die Karakuri/LCA-Anlage auch auf Messen gezeigt werden kann, muss sie zudem leicht demontierbar sein. Aufgrund der unkomplizierten Verbindungstechnik des Profilrohrsystems D30 ist genau dies möglich. Die Anlage besteht aus insgesamt 4 Teilen und lässt sich mit 2 Personen schnell auf- und abbauen. Überhaupt erwiesen sich die item Komponenten als entscheidender Vorteil: „Wir kannten zwar Karakuri/LCA aus einer Vorlesung, hatten vor dem Praxisprojekt aber noch keine Komponenten in der Hand. Mit item war das Ganze intuitiv. Wir konnten ohne Schulung direkt drauflos bauen“, sagt Hans Böhme aus dem Team der Studierenden. Sein Projektkollege Malte Wörmer betont die positive Lernerfahrung: „Die Arbeit war durch Learning by Doing geprägt, das hat sehr viel Spaß gemacht.“ Für die Konstruktion großer Teile der Anlage kam das item Engineeringtool zum Einsatz, was diesen Arbeitsschritt deutlich beschleunigte. Neben einem Gesamtkatalog des Lean Production Systembaukastens erwiesen sich Videos sowohl zu Karakuri/LCA als auch zum item Engineeringtool auf dem YouTube-Kanal von item in der Vorbereitung als hilfreich.
Karakuri/LCA ist eine frugale Innovation – auf das unmittelbare Notwendige beschränkt und zugleich technisch einwandfrei, langlebig und wartungsarm.
Für die Einordnung von Lean Production im Allgemeinen und Karakuri/LCA im Besonderen ist deren Charakterisierung von Professor Ahrens als „frugale Innovation“ aufschlussreich. „Frugal“ bedeutet „einfach“ und „bescheiden“, aber auch „nutzbar“. Eine frugale Innovation zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich auf das unmittelbare Notwendige beschränkt und zugleich technisch einwandfrei, langlebig und wartungsarm ist. Karakuri/LCA und Lean Production sollten jedoch nicht gleichgesetzt werden, da es sich um die anspruchsvollste Form der schlanken Produktion handelt. Für die Einführung von Lean Production empfehlen sich andere Lösungen, etwa leane Betriebsmittel. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Automatisierungslösung ist Karakuri/LCA jedoch einfacher umzusetzen und eben kostengünstiger. Auch die Kombination beider Formen der Automatisierung bei hybridem Karakuri/LCA besitzt viel Potenzial: „Das schließt sich überhaupt nicht aus. Man kann auch einen Teil konventionell automatisieren und einen anderen Teil mechanisch. Dadurch lassen sich ebenfalls Kosten sparen“, betont Professor Ahrens.
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