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Zukunftstrends für die Industrie: Vom neuen Gold bis hin zu digitalen Plattformen

Diese Zukunftstrends werden die Industrie prägen

Die Zukunft ist ungewiss, wie man üblicherweise sagt. Doch stimmt das so wirklich? Kündigt sie sich nicht in gewisser Weise heute schon an? 

So sieht es auch die Zukunftsforschung. Bei dieser wissenschaftlichen Disziplin, die beispielsweise an der Freien Universität Berlin studiert werden kann, geht es darum, Entwicklungen und Potenziale zu erkennen und für die Wirtschaft nutzbar zu machen: „Wir versuchen, Chancen aufzuzeigen, die in der Zukunft liegen. Dabei schauen wir auf Möglichkeiten, aus Entwicklungen in Gesellschaft und Technologie einen Nutzen zu ziehen. Wir verstehen uns als Zukunftsmacher und möchten Menschen und Unternehmen dabei unterstützen, ihre Zukunft bestmöglich zu gestalten“, sagt Zukunftsforscher Dr. Jörg Wallner, der als Director Strategic Foresight bei der 2b AHEAD ThinkTank GmbH tätig ist. Dabei setzen er und seine Kollegen auf Verfahren der qualitativen Sozialforschung wie die Delphi-Methode sowie im ersten Schritt auf die Analyse von Patenten, neuesten wissenschaftlichen Publikationen aus aller Welt und weiteren häufig schwer zugänglichen Dokumenten. Auf dieser Basis vermag die Zukunftsforschung fundierte Prognosen für einen Zeithorizont von 10 Jahren aufzustellen. Dementsprechend hat die Zukunftsforschung aktuell die Auswirkungen bis circa 2030 im Blick. In einem persönlichen Gespräch hat Dr. Wallner faszinierende Einblicke in Zukunftstrends im Allgemeinen und entscheidende Veränderungen in der Welt der Industrie im Besonderen geboten.

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Top 3 der allgemeinen Zukunftstrends in der Übersicht

Bei den drei wichtigsten Zukunftstrends für die nächsten 10 Jahre genügt es tatsächlich, sich näher mit den Interessen der großen Venture-Capital-Unternehmen zu beschäftigten. Auf dieser Basis identifiziert Dr. Wallner folgende Trends: Unsterblichkeit, die Besiedlung des Mars und das „neue Gold“. Gerade die Suche nach dem ewigen Leben ist durch Technologien wie Kryokonservierung regelmäßig in den Medien. Die Besiedlung des Mars stellt eine weitere Vision von Tesla- und SpaceX-Geschäftsführer Elon Musk dar. Er möchte beweisen, dass die Menschheit nicht auf einen Planeten beschränkt ist. Dabei denkt er deutlich weiter als staatliche Raumfahrtbehörden, die zunächst mit Sensorik herausfinden möchten, ob Leben auf dem Mars überhaupt möglich ist.

Mit „neuem Gold“ sind neuartige Technologien und Stoffe gemeint, die eine Art „Goldrausch“ in ihrer jeweiligen Branche auslösen können.

Während diese beiden Zukunftstrends klar umrissen sind, wirft Trend Nummer drei zunächst eine grundlegene Frage auf: Wie genau ist die Bezeichnung „neues Gold“ eigentlich zu verstehen? „Damit sind neuartige Technologien und Stoffe gemeint, die eine Art ‚Goldrausch‘ in ihrer jeweiligen Branche auslösen können“, erklärt der Zukunftsforscher. Dazu zählt er beispielsweise Functional Food, das durch Zusatzstoffe über reine Ernährung hinausgeht und sich positiv auf die Gesundheit auswirken soll. Damit reagiert dieser Trend gezielt auf die Idee des Quantified Self, das sich kontinuierlich selbst optimiert und mit digitalen Gadgets überprüft. Aufgrund des Potenzials sowohl für die Lebensmittel- als auch die Pharmabranche ist es wahrscheinlich, dass ein großer Markt für Functional Food entsteht.

Folgen der Pandemie: Beschleunigte Digitalisierung und neue Formen der Arbeit

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben in der gesamten Gesellschaft und gerade in der Arbeitswelt zu rasanten Veränderungen geführt. In den Bürotätigkeiten der Industrie, etwa Konstruktion, Verwaltung, Human Resources oder Unternehmenskommunikation, kommen die Vorteile der Digitalisierung immer mehr zum Tragen. Es gehört längst zum Arbeitsalltag, Online Tools zu nutzen und Videomeetings abzuhalten. Hat die Corona-Krise in diesem Sinne eigentlich die Prognosen für das Jahr 2030 durcheinandergebracht? „Diese Beschleunigung der Digitalisierung in der ganzen Welt ist zwar bemerkenswert – wir gehen damit aber methodisch so um, dass wir das als ‚Wildcard‘ definieren. Das bedeutet, dass sich unsere grundsätzliche Prognose für 2030 nicht ändert, aber die Entwicklung ging jetzt eben schneller voran als erwartet. Und es wird keinen Weg zurück geben“, sagt Dr. Jörg Wallner. Generell sind Veränderungsprozesse in der Gesellschaft zwar immer mit gewissen Gegenbewegungen verbunden – was Retro-Trends wie die Vorliebe für LPs in Zeiten des digitalen Musikkonsums unterstreichen. In der Arbeitswelt wird dies jedoch nicht der Fall sein.

Coworking Spaces am Stadtrand werden die Lebensqualität für Menschen erhöhen, die aufgrund der hohen Mietpreise der Großstädte in den Vororten leben.

Veränderungen der Arbeitswelt zeigen sich bis in die Raumkonzepte hinein. Unternehmen aus fast allen Bereichen der Wirtschaft haben Bürofläche abgegeben, zudem werden neue Bedarfsflächen zunehmend kleiner. Diese werden in Zukunft generell geringer ausfallen als die Zahl der Mitarbeiter, die dort später einmal arbeiten sollen. In anderen Worten: Es wird nicht mehr für alle Mitarbeiter feste Büroarbeitsplätze geben. Homeoffice und Hybrid Work, also der flexible Wechsel zwischen der Arbeit im Büro und an anderen Orten, werden daher zur Norm. Zugleich ist Grundvertrauen von Seiten der Führungskräfte für den Erfolg von agilen Arbeitskonzepten und New Work essenziell. Hierbei werden auch die Sinnhaftigkeit der Arbeit und Flexibilität immer wichtiger. In diesem Zuge ist auch zu erwarten, dass neue Räumlichkeiten entstehen: Coworking Spaces am Stadtrand etwa werden die Lebensqualität für Menschen erhöhen, die aufgrund der hohen Mietpreise der Großstädte in den Vororten leben. Wenn sie in solchen Räumlichkeiten arbeiten, sparen sie mitunter mehrere Stunden Fahrtzeit und müssen dennoch nicht auf einen geregelten Arbeitstag in einer Büroumgebung verzichten. Durch die reduzierten Fahrwege wird zusätzlich der CO2-Ausstoß reduziert. Überhaupt sind die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit erwartungsgemäß in den Führungsetagen angekommen. Hier wird sich eine zunehmende Dynamik entwickeln, etwa hinsichtlich der steigenden Anforderungen an den gesamten Produktlebenszyklus.

Zukunftstrends: Rückkehr zu verstärkter Lagerhaltung und Resilienz als Oberthema

Wertschöpfungsketten sind aufgrund der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine derzeit stark im Fokus. Es gibt Indizien, dass es voraussichtlich noch mindestens zwei bis drei Jahre dauern wird, bis sich die Containerschifffahrt wieder normalisiert hat. Gleichzeitig haben viele Industrieunternehmen erkannt, dass die Just-in-time-Produktion mit ihrer starken Abhängigkeit von Lieferketten Gefahren birgt. Hier ist bereits ein eindeutiger Zukunftstrend für die Industrie zu erkennen, wie Dr. Wallner erläutert: „Unternehmen sagen sich: ‚Okay, offenbar können wir uns nicht mehr ausschließlich darauf verlassen, dass diese global aufgesetzten Lieferketten genauso funktionieren wie abgesprochen.‘ Sie erkennen also, dass sie vielleicht doch wieder auf Lagerhaltung setzen müssen, um besser vorbereitet zu sein.“ Das Beispiel der Aluminium-Knappheit 2022 unterstreicht die Relevanz vorausschauender Planung: item beispielsweise setzt generell auf langfristige Planung und Partnerschaften – durch Aluminium-Lieferanten in ganz Europa, umfassende Lagerbestände und vorausschauende Bestellungen. Als sich die Verschärfung der Rohstoffsituation abzeichnete, wurden auch in dieser Hochpreissituation Verträge mit Lieferanten abgeschlossen. Das Ergebnis: Alle Standardartikel werden deutschlandweit innerhalb von 48 Stunden geliefert.

Unternehmen müssen resilient gegenüber Krisen sein – in dem Sinne, dass Lieferketten weniger anfällig sind und aufgrund der internen Organisation agil reagiert werden kann.

Resilienz ist also eine der zentralen Eigenschaften, um in zukünftigen weltweiten Krisen zu bestehen. In diesem Zusammenhang gibt es in der Wirtschaft heute auch Überlegungen, Produktionsaktivitäten wieder ins eigene Land zurückzuholen oder sie mit Nearshoring ins nahe Ausland zu verlagern. Beides dient dem Ziel, Lieferketten zu verkürzen und somit ihre Anfälligkeit zu reduzieren. Teil der Resilienz sind jedoch auch agile Arbeitsweisen und moderne Führungsstile, die es ermöglichen, besonders schnell zu reagieren. Zudem haben viele Unternehmen erkannt, wie wichtig es ist, über belastbare Daten zum eigenen Geschäft zu verfügen. Damit ist es jedoch nicht getan. Zusätzlich braucht es hochqualifizierte Datenanalysten. So unterschiedlich diese Maßnahmen auch sind – all dies dient dem Ziel, die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, wie Dr. Jörg Wallner hervorhebt: „Das wird das Leitmotiv sein, als Learning aus der Corona-Krise: Wie bekomme ich ein Unternehmen resilienter, als es in der Vergangenheit der Fall war?“

Einführung in das Internet of Things (IoT)

Von den Grundlagen über Anwendungen in der Industrie und Datenverarbeitung bis hin zu Sicherheitsfragen und ersten Schritten: Erfahren Sie in der item Academy, was es mit dem Internet of Things auf sich hat und wie Ihre Unternehmensprozesse von IoT-Lösungen profitieren können.
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Kooperationen und die Rolle von digitalen Plattformen für B2B-Vertrieb und Recruiting

Neue Umstände erfordern auch neuartige Formen der Zusammenarbeit. Daher wird es in Zukunft vermehrt zur Coopetition zwischen Unternehmen kommen. Dieser Begriff setzt sich aus „Cooperation“ und „Competition“ zusammen. Unternehmen, die in Konkurrenz zueinanderstehen, gehen hierbei in gewissem Maße Kooperationen ein. Bekannte Beispiele für diesen Zukunftstrend gibt es bislang vor allem im Finanzsektor, wo etablierte Bankhäuser mit agilen Fintech Start-ups kooperieren. Beide Seiten bringen dann ihre Stärken ein: Während klassische Banken umfassende Erfahrung und einen umfangreichen Kundenstamm vorweisen können, sind Start-ups versiert darin, innovative Management-Methoden anzuwenden sowie neue Produkte und Services schnell zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. „Wir sehen einen Wandel der Wertschöpfungsketten – von der althergebrachten Logik hin zu Wertschöpfungsnetzwerken. Wertschöpfung kann an zunehmend mehr Stellen nur noch dann vernünftig erfolgen, wenn sie eben nicht alleine erbracht wird, sondern gemeinsam“, sagt Dr. Wallner. Aus diesem Grund wird es zukünftig auch in der Industrie zunehmend Pakete aus mehreren Anbietern geben, die auf digitalen Plattformen zur Verfügung stehen.

Neben der Vertriebslogik wird in Zukunft auch das Recruiting von digitalen Plattformen geprägt sein.

Prognosen besagen, dass in 10 Jahren circa 50 Prozent des Geschäfts so abläuft, dass entsprechende Digitalplattformen anhand Echtzeitdaten und künstlicher Intelligenz (KI) Anfragen von potenziellen Kunden beantworten. Auswirkungen auf die Arbeit des Außendiensts im B2B-Vertrieb sind somit unvermeidlich. Seine Aufgaben werden sich deutlich verändern, da die KI auf Datenbasis maßgebliche Entscheidungen treffen wird. Der Zukunftsforscher beschreibt diesen Trend folgendermaßen: „Die Preisstellung, die heute oft im Rahmen des Ermessens eines Außendienstmitarbeiters liegt, wird zunehmend automatisiert. Dabei übernimmt die KI diesen Teil des B2B-Vertriebs. Aktuell ist bereits eine Einführungswelle von Dynamic-Pricing-Systemen zu beobachten.“ Dabei werden in (nahezu) Echtzeit folgende Fragen beantwortet: Wie ist der Stand der Kundenbeziehungen? Was lässt sich über die Markt-, Wettbewerbs- und Liefersituation sagen? Auf Basis der datenbasierten Antworten wird dann der Preis festgelegt. Neben der Vertriebslogik wird auch das Recruiting von digitalen Plattformen geprägt sein: Zum einen durch neue Technologien, um zu überprüfen, ob Bewerber zum jeweiligen Profil passen. Zum anderen werden vermehrt Plattformen für High Potentials entstehen, um mit ihnen möglichst früh in Kontakt zu treten. Daran zeigt sich exemplarisch, wie stark die Digitalisierung und ihre Trends die Zukunft der Arbeitswelt prägen.

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