Zwischen der Formulierung einer Vision und der konkreten Umsetzung im Unternehmen geht häufig einiges verloren.
Diese Verluste sind in der Regel räumlich (Büro vs. Gemba, also den Ort der Wertschöpfung) und hierarchisch (Führungskräfte vs. Mitarbeiter) bedingt. Es mangelt also an einer umfassenden Strategie, um der Vision gerecht zu werden. Wie lässt sich eine solche Strategie entwickeln? Mit Hoshin Kanri halten Lean Production und Lean Management (nicht jedoch das Toyota Production System) eine Methode bereit, um die Realisierung einer Unternehmensvision gezielt zu erreichen. Daher ist sie auch im Consulting beliebt. Mit Hoshin Kanri lässt sich die Umsetzung dieser Vision Schritt für Schritt steuern – und alle Mitarbeiter werden einbezogen. Aus dem Japanischen übersetzt, bedeutet „Hoshin“ wörtlich „Kompass-Nadel“ und „Kanri“ steht für „Management“. Als Synonyme sind auch Hoshin Planning, Management by Policy (MbP) Management by Planning, Policy Deployment oder Policy Development bekannt. Es handelt sich bei dieser Kompassnadel für das Management um einen Strategieprozess, der vertikal über alle Hierarchien im Unternehmen und horizontal über die Ebenen vom Strategieziel bis zu den einzelnen Maßnahmen verläuft. Doch worauf kommt es an, wenn man eine Hoshin-Kanri-Strategie entwickeln möchte? Und welche Maßnahmen werden bei dieser Methode eingesetzt?
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So ist Hoshin Kanri aufgebaut
Bei der Definition eines Strategieplans auf Basis von Hoshin Kanri empfiehlt es sich, nicht mehr als fünf Ziele zu entwickeln. Hoshin Kanri ist dezidiert langfristig ausgelegt – mit wenigen Durchbruchszielen, die es in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren zu erreichen gilt. Durchbruchsziele sind Ziele, deren Erreichung grundlegende Veränderungen in einem Unternehmen anstößt und auf die Unternehmensziele einzahlt. Dies ist nicht mit den plötzlichen Veränderungen von Kaikaku zu verwechseln, das auch als „Durchbruchs-Kaizen“ bezeichnet wird. Bei der Planung sind zudem SMARTe Ziele maßgeblich. Hinter dem leicht zu merkenden Akronym SMART verbergen sich:
Spezifisch: Definieren Sie spezifische Ziele, also Soll-Zustände.
Messbar: Es muss konkret messbare Kriterien geben.
Attraktiv: Ziele sollen motivierend sein und bei allen Mitarbeitern auf Zustimmung stoßen.
Realistisch: Der Sollzustand ist mit den vorliegenden Ressourcen zu erreichen.
Terminiert: Legen Sie genau fest, bis wann das Ziel erreicht werden soll.
In der Strategiephase kommt es daneben auf Effektivität an. Dabei ist folgende Unterscheidung für das Management von Unternehmen wichtig: Effektivität bedeutet, dass man die richtigen Dinge tut, Effizienz hingegen liegt vor, wenn Dinge richtig getan werden. Das entscheidende dabei ist, dass auch die falschen Dinge effizient erledigt werden können, etwa wenn jemand im Unternehmen eine Aufgabe missversteht und diese jedoch an sich korrekt bearbeitet. Dennoch wurden in diesem Beispiel Zeit und Ressourcen verschwendet. Daher ist für das Management die Festlegung von Kennzahlen (Key Performance Indicators = KPIs) entscheidend. Idealerweise werden diese visuell dargestellt, etwa in einem Dashboard, damit sie von allen Mitarbeitern des Unternehmens besser verstanden werden können.
Hoshin-Kanri-Matrix: Kompass zur Zielerreichung
Es ist hilfreich, wenn man sich die Ziele von Hoshin Kanri mithilfe eines Kompasses vorstellt, also entlang der Himmelsrichtungen. Dieser Kompass ist folgendermaßen aufgebaut und dient als Basis für die grafische Darstellung durch eine Hoshin-Kanri-Matrix:
- Im Norden der Matrix werden Maßnahmen und Strategien platziert.
- Langfristige Ziele finden sich im Süden der Matrix.
- Kurzfristige Ziele (etwa für das jeweilige Jahr) werden im Westen der Matrix festgehalten.
- Der Osten der Matrix ist für die Kennzahlen vorgesehen.
Ablauf der Hoshin-Kanri-Methode
Für die Management-Methode Hoshin Kanri hat sich ein fester Ablauf aus 7 Schritten etabliert. Er sieht folgendermaßen aus:
- Festlegung der Vision
Zunächst legen die Führungskräfte fest, wie die zukünftige Entwicklung des Unternehmens aussehen soll.
- Bestimmung der Durchbruchsziele
Aus der Vision werden konkrete Ziele abgeleitet, die sich in den kommenden drei bis fünf Jahren umsetzen lassen.
- Definition der Jahresziele
Anhand der Durchbruchsziele entstehen die Ziele für die kommenden Jahre.
- Kommunikation der Ziele
Alle Abteilungen der Organisation werden über die Ziele unterrichtet.
- Umsetzung der Maßnahmen
Auf der Basis von konkreten Kennzahlen und Zielen erfolgt die Realisierung der geplanten Maßnahmen.
- Kurzfristige/monatliche Überprüfung
Es wird geprüft, ob der eingeschlagene Kurs wie geplant funktioniert.
- Langfristige Überprüfung (am Jahresende)
Am Ende des Jahres gibt es jeweils eine Kontrolle der Ergebnisse, die auch dazu dient, Schwachstellen zu identifizieren und daraufhin Anpassungen vorzunehmen.
Der Catchball-Prozess und Nemawashi bei Hoshin Kanri
Hinsichtlich der Taktiken zur Umsetzung ist vor allem der Schritt „Catchball“ beziehungsweise „Nemawashi“ zu nennen. Catchball ist der weitaus bekanntere Begriff: Ursprünglich handelt es sich dabei um ein populäres Kinderspiel, bei dem alle Teilnehmer im Kreis stehen und sich gegenseitig einen Baseball zuwerfen. Dies zeigt anschaulich, was den Catchball-Prozess im Rahmen von Hoshin Kanri ausmacht. Hier geht es darum, dass es keine Entscheidungen von oben herab gibt. Die Führungskräfte und Mitarbeiter auf den anderen Hierarchieebenen erarbeiten gemeinsam die von der Vision abgeleiteten Ziele – und in diesem Prozess „werfen sie sich die Bälle zu“. Dass dies keine Sache ist, die sich auf die Schnelle erledigen lässt, macht Nemawashi noch deutlicher: Dieser Begriff setzt sich aus „ne“ (= Wurzel) und „mawasu“ (= um etwas herumgehen) zusammen. Seine ursprüngliche Bedeutung ist wörtlich zu verstehen. Er bezeichnet den Vorgang, um die Wurzeln eines Baumes herumzugraben, um ihn auf eine Umpflanzung vorzubereiten.
Dabei ist es wichtig, den Baum frühzeitig mit der Erde des neuen Ortes vertraut zu machen, um den Übergang zu erleichtern. Es geht also eindeutig um ein behutsames Vorgehen. Bei Nemawashi im Lean-Kontext wird ebenfalls nach und nach „der Boden bereitet“: Somit lässt sich gezielt vermeiden, dass sich Beteiligte durch die neue Strategie übergangen fühlen und darunter ihre Motivation leidet. Und letztlich wissen diejenigen, die einen Prozess ausführen, am besten, ob die gesteckten Ziele realistisch sind. Der Prozess, um einen Konsens zu erreichen, dauert hier zwar in der Regel länger, aber dafür können Maßnahmen erheblich zielgerichteter und schneller umgesetzt werden, etwa in der Produktion. Für Motivation aller Beteiligten im Unternehmen ist dies ein entscheidender Faktor.
Vorteile der Hoshin-Kanri-Methode
Bei der Strategieumsetzung von Hoshin Kanri im Unternehmen kommt der PDCA-Zyklus zum Einsatz. PDCA steht für „Plan“, „Do“, „Check“ und Act“ und ist auch als zentrales Werkzeug der kontinuierlichen Verbesserung bekannt:
- Plan: Eine Optimierungsmaßnahme wird geplant, mit einer konkreten Vorgehensweise und einer Hypothese für das Ergebnis.
- Do: Die Umsetzung der Optimierung erfolgt im Rahmen eines kleinen Pilotprojekts.
- Check: Anhand einer Prüfung der Maßnahme zeigt sich, ob sich die Hypothese bestätigt hat. Falls dies nicht der Fall war, muss man sich fragen, woran es gelegen hat.
- Act: Standardisierung der Maßnahme bei Erfolg. Grundsätzlich startet der PDCA-Zyklus immer wieder neu, ganz im Sinne des KVP.
Bei aller Strategie gibt es keine absolute Garantie: Es handelt sich bei PCDA um ein Experiment mit offenem Ausgang. Entsprechend sind Überprüfungen und eine lebendige, positive Feedback- und Fehlerkultur essenziell für das Gelingen von Hoshin Kanri. Es ist es wie bei allen Methoden der Lean Production: Nur mit tiefgehendem Verständnis und der Hingabe aller Beteiligten lassen sich Erfolge erzielen. Obwohl etwa der RoI (Return on Investment) oder EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization) wichtige Kennzahlen sind, treiben diese nicht die Praktiken an, sondern sind umgekehrt Ergebnisse von diesen. Denn Hoshin Kanri nimmt Einfluss auf Prozesse und fokussiert sich nicht nur auf das Ergebnis.
Eine Methode wie Hoshin Kanri berücksichtigt daneben die Stimme des Kunden und nicht nur reine Gewinnziele. Zusätzlich verbessern die entsprechenden Maßnahmen bei erfolgreicher Implementierung auch die Unternehmenskultur und interne Kommunikation. Catchball/Nemawashi ist ein ausdrücklicher Kontrast zu Top-Down-Maßnahmen und basiert auf Konsens. Ressourcen, Vorgaben und Kennzahlen lassen sich an alle Ziele und Ebenen des Unternehmens anpassen. Eine solche Strategie macht sich bezahlt: Jedem einzelnen Mitarbeiter werden durch die Einbindung in die Zielsetzung und Verbesserungspläne sowie deren Überprüfung die eigene Rolle, Arbeit und Ziele im Unternehmen noch stärker bewusst. Auf jeder Unternehmensebene werden daher Verantwortung und Führungsrollen übernommen.
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